Berlin – Steht eine Fernreise an, ist der prophylaktische Besuch beim Arzt für viele Reisende selbstverständlich. Doch auch in europäischen Ländern sollte man nicht völlig unbedarft reisen.
Einige Reisekrankheiten, die wir nur in der Ferne vermuten, treten auch in Europa auf. Daher ist vernünftige Körperhygiene, Achtsamkeit bei der Lebensmittelwahl und Schutz vor Mücken und Zecken wichtig.
Unter Reisekrankheiten versteht man all die gesundheitlichen Risiken, «mit denen ein Reisender in seiner Heimat eher nichts zu tun hat», erklärt Christian Schönfeld, der als Arzt für Reise- und Tropenmedizin für die Charité Berlin arbeitet. Abhängig sind diese immer von den Hygienestandards und dem Klima am Reiseziel.
Gründliches Händewaschen ist guter Schutz
So kann eine Durchfallerkrankung sowohl in der Heimat, als auch im europäischen Ausland auftreten. «Von Norden nach Süden gibt es in Europa ein Hygienegefälle», sagt Schönfeld. Daher sind Infektionskrankheiten in Südeuropa wahrscheinlicher. Auch mit der Grippe beschäftigt sich der Reisemediziner, weil sie zu den unterschiedlichsten Jahreszeiten an verschiedenen Orten der Welt ausbricht.
Um diese Krankheiten zu vermeiden, ist das Wichtigste das regelmäßige und gründliche Händewaschen mit Seife. «Seife entfernt Dreck, Fette, sowie die darunterliegenden Keime und Erreger massiv», so Schönfeld. Ist die oberste Schmutzschicht von der Haut entfernt, kann im zweiten Schritt ein Desinfektionsmittel verwendet werden.
Leitungswasser besser abkochen
Einen anderen Tipp gibt der Reisemediziner zum Leitungswasser. «Bei uns sind mehrstufige Kläranlagen die Regel. Woanders kann es passieren, dass Wasser direkt aus dem Erdreich abgepumpt wird.» Und da in jenem Grundwasser mitunter auch Abwässer entsorgt werden, ist Vorsicht geboten.
Reisende sollten Trinkwasser im Zweifel lieber abkochen oder in Plastikflaschen kaufen. Das ist zwar schlecht für den Plastikverbrauch, aber in wärmeren Ländern besser für die eigene Gesundheit.
Siedendes Wasser tötet Krankheitserreger ab
Lebensmittel, die in den betroffenen Ländern mit Grundwasser gewässert werden, sollten eher nicht gegessen werden. Dazu zählt beispielsweise roher Salat. Durch die häufige Wässerung könnten sich viele Bakterien und Viren an den Lebensmitteln befinden.
Obst sollte lieber geschält, Gemüse vor dem Verzehr gut abgekocht werden. Möchte man nicht auf etwas Frisches verzichten, so kann man etwa Tomaten vor der Zubereitung mit siedendem Wasser übergießen. Das tötet die meisten Krankheitserreger ab.
Schönfeld empfiehlt außerdem, vorsichtig zu sein «bei allen Lebensmitteln, die man Zuhause im Kühlschrank lagert». Ungekühlt geht von diesen Lebensmitteln ebenfalls eine Ansteckungsgefahr aus.
Seife hilft auch nach einem Tierbiss
Es empfiehlt sich außerdem immer etwas Seife dabei zu haben. «Seife ist auch der ideale Tipp, wenn man mal von einem Tier gebissen wurde», sagt Schönfeld. Wenn man nach einem Biss durch einen Hund die Wunde 10 bis 15 Minuten mit Seife auswäscht, hat man «viele Keime beseitigt und die Entzündungsgefahr drastisch reduziert», so Schönfeld.
Falls sich in der Wunde auch Tollwutviren befinden, würde man sie durch die Seife teilweise zerstören. Denn dabei werden die «Tollwutviren entfettet und sie verlieren ihre Infektiosität».
Tollwut ist in Europa in den letzten Jahren zwar erheblich zurückgegangen. Inzwischen wird die Krankheit in Deutschland nur noch von Fledermäusen übertragen. In Süd- und Osteuropa sind aber Hunde die Hauptüberträger.
Tollwut können Reisende vor allem durch vorsichtiges Verhalten vermeiden. Wenn Abstand zu wilden Tieren gehalten wird, reduziert sich die Ansteckungsgefahr erheblich. Daher empfiehlt Schönfeld eine Impfung gegen Tollwut nur Langzeitreisenden.
Impfkalender beachten
Wichtig ist, dass sich alle Urlauber entsprechend des Impfkalenders des
Robert Koch-Instituts mit den Standardimpfungen schützen. Die ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut empfiehlt in der jährlichen Übersicht zum Beispiel Auffrischungen und die regelmäßige Impfung gegen Grippe für ältere Menschen.
«Südlich der Alpen und östlich der Oder sollte man an Hepatitis A denken und impfen», rät Schönfeld. Gegen Typhus empfiehlt der Experte keine Impfung, da sie «nur zu 60 Prozent Schutz bietet» und es in Europa in den letzten Jahren nur zu wenigen Typhus-Erkrankungen kam. Auch gegen Typhus ist Hygiene der beste Schutz.
Nicht-heimische Mückenarten breiten sich aus
Um den idealen Schutz geht es auch beim Thema Mücken und Zecken. «Weltweit gibt es etwa 3500, hierzulande wohl 50 Stechmückenarten», informiert das
Gemeinschaftsprojekt Mückenatlas vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung und vom Friedrich-Loeffler-Institut. Allerdings begünstigen «Klimawandel und Globalisierung die Einschleppung nicht-heimischer Arten».
Generell können Mücken Chikungunya-, Dengue-, Gelbfieber- und West-Nil-Virus übertragen. Da solche Krankheiten in Europa selten vorkommen, ist die Ansteckungsgefahr zwar gering. Dennoch kam es schon in Südeuropa zu Krankheitsfällen von Dengue- und Chikungunya-Fieber.
Lange Kleidung schützt vor Stichen
Gegen Mückenstiche und potentielle Virusinfektionen hilft vor allem lange Kleidung. Moskitonetze sind gegen nachtaktive Mücken nützlich. Grundsätzlich sollte man sich Tag und Nacht schützen, da sowohl tag- als auch nachtaktive Mücken Krankheiten übertragen.
Eine wirkungsvolle Maßnahme sind dabei auch Mückenschutzmittel zum Auftragen auf der Haut. Diese Mittel sorgen dafür, dass die Insekten den Geruch des Menschen nicht mehr wahrnehmen. Sie sind auch wirkungsvoll gegen einheimische Zecken.
«Der Gemeine Holzbock ist blind und kann uns nur chemisch wahrnehmen», erklärt Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim. Er gilt als Lauerzecke und wartet auf Gräsern oder in Sträuchern bis maximal eineinhalb Meter Höhe auf einen neuen Wirt.
Risikogebiete breiten sich in Richtung Norden aus
«Jede Zeckenart hat ihr eigenes Repertoire an Krankheitserregern», sagt Prof. Mackenstedt. Durch den Gemeinen Holzbock werden vor allem Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen. Es gibt die Zeckenart überall in Deutschland, wobei die «humanen FSME-Fälle zu 90 Prozent in Baden-Württemberg und Bayern» auftreten, so Prof. Mackenstedt.
Warum das so ist, lässt die Forschung rätseln. Doch die FSME-Risikogebiete breiten sich in Richtung Norden aus. Erst in diesem Jahr wurde der Landkreis Emsland durch das Robert Koch-Institut zum Risikogebiet ausgewiesen. In diesen Gebieten gilt besondere Vorsicht. Gegen FSME können sich Reisende impfen. Einen Impfstoff gegen Borreliose gibt es trotz intensiver Forschung noch nicht.
Neu ist die Zecke Hyalomma. «Sie ist in Deutschland nicht beheimatet und wird regelmäßig mit Zugvögeln hergebracht», erklärt Prof. Mackenstedt. Die Ankunft dieser Zecke selbst, ist keine Besonderheit. Die Forscherin beschäftigt nun die Frage, «ob die Hyalomma sich in Deutschland ansiedeln kann.»
Zecken an die Universität melden
Denn mit im Gepäck hat sie neue Krankheiten und kann unter anderem das Krim-Kongo- oder das Alkhurma-Virus übertragen. Beide lösen schwere infektiöse Fiebererkrankungen aus. «Bisher wurden diese Erreger aber in den Hyalomma-Zecken, die in Deutschland auftauchten, noch nie nachgewiesen», so Prof. Mackenstedt.
Um die Forscher bei ihrer Arbeit zu unterstützen, können Verbraucher
Hyalomma-Zecken an die Uni Hohenheim senden. Die Hyalomma-Zecke ist etwa fünfmal größer als der Gemeine Holzbock, hat gestreifte Beine und ist wesentlich agiler als unsere heimischen Zecken.
Der Grund: Die Hyalomma gehört zu den «Jagdzecken» und geht «aktiv auf Wirtssuche». Schön, wenn man sich ausreichend geschützt hat und als Jagdobjekt nichts zu befürchten hat.
Fotocredits: Philipp Laage,Mascha Brichta,Florian Schuh,Astrid Untermann,Silvia Marks,Christin Klose
(dpa/tmn)