Hamburg – In Helmut Schmidts Arbeitszimmer liegen auf dem Schreibtisch noch immer Bücher, grüne Filzstifte und eine silberne Schatulle gefüllt mit Zigaretten. Es wirkt fast so, als habe der 2015 gestorbene Altbundeskanzler den Platz gerade erst verlassen.
Von 1961 an lebte Schmidt mit seiner Ehefrau Loki in der eher bescheidenen Immobilie am Neubergerweg im Hamburger Stadtteil Langenhorn. Hierhin lud Schmidt ausländische Staatschefs wie Valéry Giscard d’Estaing und Weltpolitiker wie Henry Kissinger ein. Das Haus wird entsprechend dem Testament des Paares unverändert als Gedächtnisort bewahrt. Nun öffnet die Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung das
Haus für kleine Besuchergruppen. Nun erfolgte die erste öffentliche
Führung.
Nur wenige Führungen
Pro Monat stehen nur 24 Plätze zur Verfügung. Das Interesse ist deutschlandweit groß: Binnen Minuten waren alle Plätze bis Ende Juni ausgebucht. Geführt werden die Besucher künftig von Kunsthistorikerin Ina Hildburg-Schneider. Sie macht auf viele spannende Kleinigkeiten aufmerksam, die Eigenarten verraten. «Es ist alles so gelassen worden, wie es war», berichtet die 35-Jährige und zeigt bei einem Besuch im Haus auf die Fensterbank des Arbeitszimmers.
Ein Rasierapparat, Rasierwasser und ein Spiegel stehen dort – damit sich Helmut Schmidt noch mal schnell frisch machen konnte, wenn Besuch kam. Auch Kerzen finden sich auf dem Holz-Schreibtisch, im Bücherregal steht eine alte Taschenlampe. «Es hätte ja einen Stromausfall geben können», erklärt Hildburg-Schneider.
Große Kunstsammlung
Ein Geschichtsstudent hat 6000 Gegenstände aus dem Haus inventarisiert und eine Datenbank angelegt. Auffallend ist die große Kunstsammlung der Schmidts, die Bilder hängen bis unter die Decke. Die Treppe vom Arbeitszimmer hinunter führt vorbei an einem Porträt des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg sowie Werken von Marc Chagall oder Otto Dix. Die Schmidts hatten sich als Kinder auf der Lichtwarkschule kennengelernt, einer Reformschule. «Das hat die beiden ein Leben lang geprägt, dort haben sie ihre Kunstsinnigkeit bekommen», sagt Hildburg-Schneider.
Schmidt war von 1974 und bis 1982 als Nachfolger von Willy Brandt der zweite sozialdemokratische Bundeskanzler Deutschlands. Seine 2010 gestorbene Ehefrau Loki unterstützte ihren Mann politisch und engagierte sich als Naturschützerin. Das Paar war fast 70 Jahre verheiratet. Immer griffbereit waren die Zigaretten – überall in der Wohnung verteilt finden sich Silberschatullen mit Glimmstängeln. Gemeinsames Hobby war das Schachspiel. Das Brett und die Figuren können Besucher nach wie vor sehen. Für eine Partie nahmen die Schmidts auf sogenannten Hochzeitsstühlen Platz, die Helmut Schmidt zum 65. Geburtstag geschenkt bekommen hatte.
Schwarzer Flügel und «Ottis Bar»
«Bitte nicht berühren» steht auf dem schwarzen Flügel, auf dem der Altkanzler gerne spielte. Daneben am Fenster liegt noch Lokis Gartenschere. Nach einer halben Stunde Führung können die Besucher von dieser Stelle aus noch einen Blick in das Wohnzimmer mit den roten Sofas und den zahlreichen Bücherregalen werfen – doch weiter geht es nicht für sie. Die Hausbar «Ottis Bar», benannt nach Schmidts langjährigem Personenschützer Ernst-Otto Heuer, die Küche oder die Schlafzimmern dürfen sie nicht betreten.
Die Besuchergruppen sollen nach Angaben der Stiftung klein bleiben, um das Haus in seinem ursprünglichen Zustand erhalten zu können – aber auch um bei den Führungen alle Gäste im Blick zu behalten. Die Besucher werden von einem Sicherheitsmitarbeiter begleitet. «Die Sorge, dass nicht alles an seinem Platz bleibt, ist groß», sagt Sprecher Ulfert Kaphengst.
Alle, die noch keine Tickets ergattern konnten, bekommen am 23. Mai eine neue Chance. Dann können über die Internetseite
www.helmut-schmidt.de Führungen für das dritte Quartal gebucht werden. Ab dem 23. August werden die Termine für das vierte Quartal freigeschaltet. Die Stiftung wolle die Anzahl der Führungen in den kommenden Jahren steigern, sagt Kaphengst.
Service:
Termine werden quartalsweise freigeschaltet, am 23.5. für die Monate des dritten Quartals, am 23.8. für die Monate des 4. Quartals.
Der Kostenbeitrag beträgt 12 Euro pro Person.
Fotocredits: Daniel Reinhardt,Daniel Reinhardt,Daniel Reinhardt
(dpa)