Faktencheck: Wird die Bahn immer unzuverlässiger?

Berlin – Bahn-Bashing gehört in manchen Kreisen schon fast zum guten Ton. Vor allem in sozialen Netzwerken versuchen Fahrgäste gern, sich mit ihren schlechtesten Erlebnissen gegenseitig zu überbieten.

Ist das Reisen mit der Bahn über einen Zeitraum von zehn Jahren betrachtet wirklich immer schlimmer geworden?

Behauptung: Immer weniger Züge der Deutschen Bahn kommen pünktlich an.

Bewertung: Aus den Zahlen lässt sich das nicht klar herauslesen. Die Bahn schafft es aber nicht, kontinuierlich pünktlicher zu werden. Nach guten Jahren folgen immer wieder herbe Rückschläge.

Fakten: 2018 waren nach Erhebungen der Deutschen Bahn im Jahresdurchschnitt 74,9 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich. 2009 waren es noch 81,2 Prozent. Pünktlich ist ein Zug nach Definition des Konzerns bis zu einer Verspätung von weniger als sechs Minuten. Über die Jahre schwankte der Wert deutlich: Die beste Quote in diesem Zeitraum erreichte die Bahn 2009, die schlechteste 2010 mit 72,4 Prozent. 2016 und 2017 berappelte sie sich und der Wert stieg deutlich über 78 Prozent – um 2018 wieder einzubrechen.

Die Zahlen im Fernverkehr sind besonders aussagekräftig, weil Fahrgäste Verspätungen oder Ausfälle im Nahverkehr in der Regel leichter ausgleichen können. Schließlich fährt ein Regionalzug von Berlin nach Potsdam deutlich häufiger als ein ICE von Berlin nach München.

Warum unterscheiden sich die Werte manchmal von Jahr zu Jahr so stark? «Das sind in der Regel externe Einflüsse, die uns hier die Schwankungen bescheren», sagt ein Bahn-Sprecher. Er meint vor allem Unwetter oder lang andauernde Sperrungen wie nach dem Einbruch einer Tunnelbaustelle im baden-württembergischen Rastatt. Für die Verschlechterung der Werte 2010 sei etwa der extreme Winter zum Jahresende verantwortlich gewesen. Dazu sei der heiße Sommer gekommen, der in vielen Zügen die Klimaanlagen und weitere Technik versagen ließ.

Behauptung: Immer mehr Züge fallen aus.

Bewertung: Das ist tendenziell richtig. Doch auch hier lohnt ein genauerer Blick.

Fakten: Im vergangenen Jahr gab es nach Angaben der Deutschen Bahn bei 4,2 Prozent aller Fahrten im Fernverkehr Teilausfälle. Das heißt, dass der Zug zum Beispiel nicht bis zum Endhalt fuhr, sondern die Fahrt auf halber Strecke abbrechen musste. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung an das Parlament hervor, für die der bundeseigene Konzern die Zahlen im März dieses Jahres zusammenstellte. Im Jahr 2009 lag der Wert bei nur 1,1 Prozent. Die Zahl der Komplettausfälle – die Fahrt entfiel vollständig und ersatzlos – lag demnach 2018 bei 1,2 Prozent und 2009 bei 0,2 Prozent.

Aber auch hier stiegen die Werte nicht kontinuierlich Jahr für Jahr: Von 2015 auf 2016 sank der Anteil der Teilausfälle zum Beispiel von 3,2 Prozent auf 2,0 Prozent, um 2017 dann wieder auf 3,1 Prozent zu steigen.

«Da ist natürlich immer die Frage: Warum ist die Bahn schlechter geworden?», sagt Karl-Peter Naumann, Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn. Der für 2008 geplante und wegen der Finanzkrise dann abgesagte Börsengang sei eine Hauptursache: «Wenn ich natürlich so ein Unternehmen wie die Bahn fit machen will für die Börse und im Augenblick erst mal einsparen will, dann spare ich an teuren Infrastrukturausgaben.» Das sei zwar zunächst nicht aufgefallen, aber «irgendwann fällt einem das auf die Füße». Unpünktlichkeiten und Zugausfälle seien eine direkte Folge dessen.

Fotocredits: Daniel Bockwoldt
(dpa)

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