New York – Die Einladung kommt per E-Mail. «Sei heute Abend um punkt 21 Uhr mit deiner Begleitung an der schweren Metalltür», heißt es. Dazu hat der Barkeeper eine Adresse in Brooklyn samt seiner Handynummer geschickt und bittet um eine SMS bei Ankunft.
Bis auf Graffiti markiert nichts diese Tür oder verrät, dass irgendwo dahinter die
«Threesome Tollbooth» liegt – die wohl kleinste und exklusivste Bar in New York. Die SMS ist raus, die Tür öffnet sich.
Nathan Austin, den alle nur N.D. nennen, ist ein Meister besonderer Erlebnisse und Bars der anderen Art. Fast 20 sogenannte «Speakeasies» hat er weltweit schon betrieben, geheime oder versteckte Kneipen in Brasilien und Island, in Italien und Großbritannien. Illegal waren sie alle. Eine Kneipe in Kairo habe er wie ein Café wirken lassen, Flaschen sah man nicht. «Wenn die Bullen kamen, wollte man es einfach so aussehen lassen, als ob alle Tee trinken», sagt er.
Ebenso grenzwertig war der
«Night Heron», bei dem Austin und seine frühere Partnerin Ida Benedetto einen leeren Wasserturm auf einem Dach in Manhattan sechs Wochen lang in eine Bar verwandelten. Erst durch dunkle Gänge und Hintertüren, über eine Feuertreppe und eine Ausziehleiter kamen Gäste in den hölzernen Speicher. Wer hier trank, machte sich strafbar – und wer für 80 Dollar (etwa 67 Euro) eine Taschenuhr kaufte, verschaffte damit zwei neuen Gästen Zutritt. Austin und Benedetto konnten sich vor Anfragen bald kaum retten.
Bei all diesen Abenteuern verwundert es fast, dass Austin für die «Tollbooth» eine Schanklizenz eingeholt hat und so seine erste legale Bar betreibt. Ein bisschen konspirativ wirkt es trotzdem, wenn er durch die enge Abstellkammer eines stillgelegten Restaurants an den Ort führt, von dem er seit Jahren träumt: ein winzige Bar für nur zwei Gäste, etwa so groß wie eine Telefonzelle oder eine «Tollbooth» eben, das kleine Häuschen an einer Mautstelle.
«Ich habe diese Bar so gemacht, wie ich mir eine Bar wünschen würde», sagt Austin. In der holzvertäfelten Kammer, in der vorher nur ein «Wassererhitzer und kleine Besen» standen, nehmen die beiden Gäste nebeneinander auf einer schmalen Bank Platz. «Wenn du in einen Sitz im Flugzeug passt, passt du in die «booth»», sagt Austin. Tom Waits murmelt im Hintergrund, als Austin den ersten Drink einschenkt. Der einstündige Besuch kostet pro Person umgerechnet etwa 100 Euro, alle Getränke sind inklusive. Fotos – und Handys generell – sind tabu.
Eine Karte gibt es nicht, stattdessen wird die Wahl des nächsten Drinks zum Dialog: lieber in die herzhafte Richtung, oder eher scharf? Etwas Kaffee-artiges, oder eher etwas mit Whiskey oder Gin? «Es ist ein vorgefertigtes Menü, aber ich wähle den Weg hindurch.» So rühren und schütteln Austin und vertretungsweise sein Partner Jesse je nach Geschmack ganz verschiedene Kreationen an. Mal verbindet er rauchigen Mezcal mit Himbeeressig und Ingwerlikör, mal serviert er Karottenschnaps mit Brandy, Basilikum- und Thymiansirup.
Die Sitzung mit Austin ist nicht nur deshalb einzigartig, weil er auf kleinstem Raum mit antikem Geschirr erstklassige Getränke mixt. Er ist auch ein interessanter Gesprächspartner, was einen guten Barkeeper seiner Meinung nach von einem schlechten trennt: «Jeder kann ein Rezept befolgen, jeder kann einen sehr soliden Drink machen. Die größere Herausforderung ist das menschliche Wesen.» Auch auf Konflikte seiner Gäste ist Austin daher vorbereitet: «Stell dir vor, einer von euch ist total aufgeregt, hier zu sein, und der andere nicht? Oder vielleicht hattet ihr gerade einen Streit und hasst einander?»
So verfliegt die Stunde mit dem Mann aus Alaska, der «im Busch, in der Wildnis, auf einer Insel vor der Küste» aufgewachsen und entfernt verwandt sei mit dem Namensgeber der Großstadt Austin in Texas. Denkt man an seine anderen Projekte, bei denen er etwa eine Foto-Safari durch eine stillgelegte Zuckerfabrik organisierte oder Paare in einem verlassenen Hochzeits-Resort mit einer Blaskapelle überraschte, folgt der nächste Streich inner- oder außerhalb der Gastronomie bestimmt.
«Erlebnis-Designer» nennt Austin sich selbst, besondere Erfahrungen versteht er als Auftragsarbeit. Die «Tollbooth» will er noch so lange betreiben, wie er daran wächst und lernt. Als er zum Ende des Besuchs durch die Abstellkammer nach draußen geführt hat und die Tür zu einer der faszinierendsten Kneipen der Millionenstadt schließt, bleibt ein Satz von ihm hängen: «Das hier mache ich nur zum Spaß.»
Fotocredits: Johannes Schmitt-Tegge
(dpa)