Zu Gast im Unterwasser-Restaurant in Norwegen

Lindesnes – Nicolai Ellitsgaard hat einen ungewöhnlichen Arbeitsplatz. Wenn der 32-Jährige zur Arbeit geht, muss er eine lange, hölzerne Treppe hinabsteigen. Der Däne ist Küchenchef in einem Restaurant, das sich mehr als fünf Meter unter dem Meeresspiegel befindet.

«Under» heißt das ungewöhnliche Lokal in Lindesnes, eine Stunde westlich von Kristiansand an der norwegischen Südküste. «
Under», das heißt «unter» auf Deutsch, ist aber auch das norwegische Wort für «Wunder», und genau das ist es nach Auffassung der beiden Eigentümer Gaute und Stig Ubostad. «Kaum einer hat erwartet, dass es hier oben im Norden ein Unterwasser-Restaurant geben kann», sagt Stig. «In dem Sinne ist es ein Wunder.»

Essen und Architektur bestaunen

Koch Ellitsgaard hat keine Sekunde gezögert, als er vor mehr als zwei Jahren das Angebot bekam, im «Under» zu arbeiten. «Als ich die Bilder von dem Restaurant sah und sie sagten, dass ich in der Küche machen könne, was ich wolle, fragte ich sofort: Wo kann ich unterschreiben?»

Seit Anfang April ist das «Under» geöffnet und neben dem Essen ist es die Architektur, die einen staunen lässt. Das Gebäude sieht ein bisschen aus wie ein Schuhkarton aus Beton, der ins Rutschen geraten ist. Der Korpus ragt nur mit einem Ende aus dem Wasser. Hier befindet sich der mit Holz verkleidete Eingangsbereich, in dem die Garderobe untergebracht ist. Eine lange Treppe aus heimischer Eiche führt dann hinunter in den Speiseraum, der sich über die volle Breite mit einem Fenster zum Meer öffnet. Der Raum ist von dem blau-grünen Licht der See getränkt.

Entworfen wurde das Bauwerk im norwegischen Architekturbüro
Snøhetta, das unter anderem durch die Oper in Oslo und die Bibliothek im ägyptischen Alexandria bekannt ist. «Auch für uns war das etwas völlig Neues», erzählt Architekt Kjetil Trædal Thorsen. Die größte Herausforderung sei das Fundament gewesen. Normalerweise müsse das eine schwere Last tragen. Hier unter Wasser wirke die Schwerkraft in die andere Richtung. Das Gebäude wolle nach oben treiben. Deshalb sei es am Boden befestigt.

Kann einer Jahrhundertwelle standhalten

Gegossen wurde der Betonkörper auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht auf einem Floß. Als der Hohlkörper fertig war, wurde er an die vorgesehene Stelle an der Felsenküste gezogen. «Wenn man das Gebäude zum ersten Mal sieht, sieht es wie zufällig aus, als wenn es dort havariert ist», sagt Architekt Trædal Thorsen. «Aber natürlich wurden ganz präzise Berechnungen vorgenommen, wo man das Fundament etablieren kann und wo man Zugang über eine Brücke vom Land hat.» Um das Gebäude ins Meer zu senken, musste es mit Wasser gefüllt werden. Erst als es mit dem Fundament verbunden war, konnte das Wasser wieder abgepumpt werden. Nun sei das Gebäude so sicher, dass es auch einer Jahrhundertwelle standhalten könne, ist Trædal Thorsen sicher.

Die Brüder Gaute und Stig Ubostad sind glücklich, dass sie mit Snøhetta einen Partner gefunden haben, der Spaß am Experimentieren hat. «Das ist ein Projekt, das reifen musste», sagt Stig. «Das Ergebnis, das wir heute haben, hat nicht mehr viel mit der Ausgangsidee von 2011 zu tun.» Im Gegensatz zu anderen Unterwasserrestaurants seien hier in Lindesnes auch die Funktionsräume wie die Küche, das Weinlager und die Toiletten unter dem Meeresspiegel.

Meeresbiologe überwacht die Umgebung

Das fast 40 Quadratmeter große Fenster zum Meer sei wie eine Bühne, erklärt Ubostad. Hier könne man Fische, Krebse, Muscheln, Algen und tauchende Eiderenten sehen. Die Außenhaut des Gebäudes sei so gestaltet, dass sich Schnecken und Muscheln dort festsetzen. Ein Meeresbiologe wacht darüber, dass die Lebenswelt unter Wasser so wenig wie möglich Schaden nimmt. Die Brüder Ubostad haben aber noch eine andere Mission: Sie wollen bei den Gästen Neugier auf die Unterwasserwelt wecken.

Denn die ist ganz fantastisch, findet auch Koch Nicolai. Einmal die Woche streift er sich die wasserfeste Anglerhose über und geht in seinem Meeresgarten ernten. Denn die Algen, die hier wachsen, sind ein wichtiger Bestandteil des Menüs.

Fingertang ist seine Lieblingsalge. «Sie schmeckt ein wenig nach Lakritz und wir verwenden sie bei vielen Gerichten: Wir machen Fond daraus, rösten sie, verarbeiten sie zu Marmelade oder servieren sie mit Käse und Stockbrot.» In der Küche, in der er mit acht anderen Köchen werkelt, arbeite man sehr viel mit den so genannten «hidden treasures», den verborgenen Schätzen. «Das sind Dinge, die man normalerweise nicht verwendet wie Springkrebse, Napfschnecken oder die Köpfe und den Rogen vom Lengfisch, was normalerweise einfach ins Meer zurückgeworfen wird.»

Ausgebucht bis September

Das 18-Gänge Menü mit dem Napfschneckenparfait als Vorspeise hat seinen Preis. Ohne Wein muss man rund 230 Euro pro Person dafür zahlen. Doch das schreckt die Gäste nicht ab. Bis September ist das Unterwasser-Restaurant ausgebucht. 7500 haben reserviert. Und jeden Tag kommen mehrere hundert neue Anfragen hinzu.

Dass eines Tages auch ein Restauranttester dabei ist, ist eine der Hoffnungen. Denn auch wenn sich das Restaurant unter Wasser befindet, träumt man im «Under» von den Sternen. «Wir haben ja ein Team in der Küche, das Erfahrungen aus Restaurants mit ein, zwei und drei Michelin-Sternen hat», sagt Stig. «Auch wenn wir jetzt keinen so großen Fokus darauf haben, hoffe ich doch, dass es am Ende so kommt.»

Fotocredits: Tor Erik Schrøder
(dpa)

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