Werden Nazareth und Bethlehem im Advent zur Touristenfalle?

Nazareth – Schon früh an diesem Morgen lassen sich Besucher die Geschichte der Verkündigungsbasilika in Nazareth erklären. Auf Portugiesisch, Englisch und Französisch erzählen Reiseführer, dass die Kirche nach katholischem Glauben an dem Ort steht, an dem der Erzengel Gabriel Maria die bevorstehende Geburt Jesu verkündete.

Besucher fotografieren und filmen – den Altar, die Kunstwerke an den Wänden, die Höhle, in der Maria gelebt haben soll. «Wenn die Pilger hierher ins Heilige Land kommen, geht Jesus an ihrer Seite, um ihnen die Augen zu öffnen», sagt Pater Amdschad Sabara von der Verkündigungsbasilika. «Die Verkündigung hier ist der Anfang, danach kommt Bethlehem, dann der Weg des Kreuzes und die Grabeskirche in Jerusalem.» In Bethlehem im Westjordanland wurde Jesus Christus nach Überlieferung aus der Bibel geboren. Die Grabeskirche in Jerusalem steht an der Stelle, wo er dem christlichen Glauben nach gestorben und wiederauferstanden ist.

Beliebtes Ziel zur Weihnachtszeit

Im vergangenen Jahr kamen rund 900.000 Touristen und Pilger nach Nazareth – jeder vierte Israelreisende, wie eine Sprecherin des Tourismusministeriums sagt. Viele davon in der Weihnachtszeit. In Nazareth leben nach Angaben des Touristenbüros rund 75.000 Menschen. Davon sind rund 40 Prozent Christen und 60 Prozent Muslime.

Händler bieten nahe der Verkündigungsbasilika Mützen für den Weihnachtsmann und Schokoladennikoläuse an. «Ich empfinde das mehr als touristische Attraktion, aber es hält sich extrem in Grenzen», sagt Johannes Roelofsen. Der 69-Jährige aus Straelen am Niederrhein ist mit einer Gruppe auf Besinnungswoche im Heiligen Land unterwegs. «Die Kirche selbst ist wenig weihnachtlich geschmückt, die wirkt so wie das ganze Jahr über.»

Bethlehem und Nazareth konkurrieren auch vor Weihnachten um Touristen und Pilger. Forscher streiten bis heute darüber, ob Jesus wirklich in Bethlehem geboren wurde oder doch in Nazareth, wo seine Eltern herstammten.

Geburtskirche in Bethlehem

In Bethlehem besuchen die Touristen und Pilger vor allem die Geburtskirche. Vor dem Gotteshaus steht ein mehr als 17 Meter hoher Weihnachtsbaum, geschmückt mit mehr als 500.000 Lichtern, wie die Stadtverwaltung sagt.

Louisa Bartricaus aus Bremen betont, wie besonders ihr erster Besuch in Bethlehem für sie ist. «Für uns ist das sehr wichtig, weil wir Christen sind und Jesus lieben», sagt die 44-Jährige. Allerdings fühle sie keinerlei Spiritualität auf den Straßen in der Stadt. «Wir fühlen den Geist Jesu Christi nur in der Kirche, nicht draußen.»

Efram Schahin, der einen Souvenirshop neben der Kirche betreibt, klagt über den Charakter der Stadt. «Bethlehem ist keine christliche Stadt mehr, es wird mehr und mehr zu einer muslimischen Stadt», sagt der 57-Jährige. «Die Spiritualität von Bethlehem und Weihnachten in Bethlehem ist schon lange vorbei.»

Sein Shop-Nachbar Michele Abu Eita sieht das allerdings anders: «Ich bin hier seit 1973, und ich sehe keine zu große Veränderung», sagt der 84-Jährige. «Die Leute gehen immer noch zum Beten in die Kirche. Vielleicht nicht mehr so viele wie früher, aber schon immer noch, auch die jungen Leute.»

Erlöserkirche in der Jerusalem

Auch der deutsche Propst der Erlöserkirche in der Jerusalemer Altstadt, Wolfgang Schmidt, sieht für die christliche Bevölkerung die Tradition im Vordergrund. «Ich habe schon das Gefühl, dass das für die Christen hier sehr wichtig ist, weil es eine Möglichkeit ist, einmal im Jahr sichtbar zu sein», sagt er.

Der Weihnachtszauber in Nazareth zieht allerdings nicht nur ausländische Touristen und Pilger an – sondern auch viele Israelis, wie Mary Abu Ata, Direktorin der Touristeninformation, sagt. Schmidt sagt: «Der Weihnachtsbaum übt schon eine gewisse Anziehungskraft auf jüdische Israelis aus, nicht immer mit Billigung der orthodoxen Autoritäten.» So hatte 2016 das Jerusalemer Rabbinat Hotels aufgefordert, keine Weihnachtsbäume aufzustellen – aus Rücksicht auf religiöse Juden.

Pater Amdschad Sabara aus Nazareth bedauert diese Kritik an den christlichen Traditionen. «Wir müssen den Mut haben, zusammenzuleben, offen füreinander zu sein und einander zu respektieren», sagt er. «Man muss sich entscheiden, ob man jemand ist, der Probleme schafft oder sich für Frieden einsetzt.»

Fotocredits: Stefanie Järkel
(dpa)

(dpa)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert