Lehrer besucht Heimatländer seiner Schüler

Hamburg – Etwas über die Wurzeln derer lernen, denen man täglich etwas beibringt. Diesen Rollentausch hat Jan Kammann vollzogen. Er unterrichtet Englisch und Geographie in einer internationalen Vorbereitungsklasse an der Europaschule im Hamburger Stadtteil Hamm.

In seinem Klassenzimmer versammeln sich Schüler aus mehr als zwanzig Nationen – aus Lebenswelten, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Eines Tages fasst der 39-Jährige einen Entschluss: Er will mehr über ihre Herkunft wissen und kennenlernen, was bis vor Kurzem ihre Heimat war. Nach der Reise hat er seine Erlebnisse in einem Buch verarbeitet, das nun erscheint.

Die Idee zu dieser ungewöhnlichen Weltreise kam ihm auf einer Fahrt nach Bulgarien. Eine Schülerin von Kammann sei nach den Ferien immer wieder Tage zu spät zum Unterricht erschienen. Als Grund habe sie angegeben, dass die Busverbindung in die bulgarische Hauptstadt Sofia so schlecht sei. Kammann wollte das überprüfen und setzte sich in einen Bus von Hamburg nach Bulgarien. Wie er am eigenen Leib erfuhr, habe seine Schülerin die Wahrheit gesagt. «Aber ich bin nicht nur dorthin gefahren, um sie zu kontrollieren, sondern in erster Linie aus Abenteuerlust und weil sie mir immer so vorgeschwärmt hatte von ihrem Heimatland», sagt Kammann. Auch in diesem Punkt habe seine Schülerin Recht behalten. Die Idee zur Weltreise sei dann auf der Rückfahrt nach Hamburg entstanden.

Während sich seine Schüler auf den mittleren Abschluss vorbereiteten, nahm sich Kammann 2016 ein Sabbatjahr. Der gebürtige Bremer, der seit seinem Zivildienst in Hamburg lebt, zog los und bereiste 14 der Länder, aus denen seine Schüler stammen, im Gepäck jede Menge Tipps, Adressen und Reiseempfehlungen. Unter anderem hat er den Alltag in Kuba, Nicaragua, Kolumbien, Südkorea, Russland, im Kosovo, Iran und in Ghana erlebt. In seinem Reisebericht erzählt er vom Lehrersein heute, wie ihn sein Reisejahr verändert hat und von der Welt, in der er selbst ein Jahr lang zum Schüler wurde. Während seiner Reise, bei der er teilweise von seiner Partnerin begleitet worden ist, berichtete er von unterwegs auch online in einem
Blog.

«In meinem Buch geht es sowohl um die Vielfalt in der Welt, als auch die Vielfalt, die ich in meiner Hamburger Schule jeden Tag erlebe», sagt Kammann. Es gehe aber auch darum, was die Deutschen von der Welt lernen könnten, wenn sie einen Blick über den Tellerrand hinaus wagen. Viele Stationen und Begegnungen hätten seinen Blick auf die Welt verändert, bilanziert der Lehrer seine Erfahrungen.

Als Geograph habe ihn im Besonderen die vielfältige Beschaffenheit der Erde beeindruckt, vor allem Nicaragua mit seiner breiten Artenvielfalt und einer Vielzahl aktiver Vulkane. Besonders prägend sei für ihn auch die Begegnung mit Sister Mary verlaufen, die in Ghana Kindern in Not hilft. Mit ihr zusammen war er mehrere Tage unterwegs. «Das war mitunter ziemlich intensiv und setzt mir bis heute zu», sagt Kammann, der selbst in wenigen Wochen Vater wird.

Seit seiner Reise versuche er in seinem Alltag in der Schule noch mehr als zuvor, jede Wertung zu vermeiden. «Kulturen sind verschieden, aber nicht besser oder schlechter», sagt Kammann. Mittlerweile hat er wieder neue Schüler aus anderen Ländern in seine Klasse bekommen. Viele könne er nun in ihrer Muttersprache begrüßen und sie mit Kenntnissen aus ihrem Heimatland überraschen. Er bemühe sich, die jungen Menschen so zu behandeln, als wären sie ganz normale Schüler. Denn er habe durch seine Reise verstanden, dass es genau das ist, was sie wollen.

Fotocredits: Axel Heimken
(dpa)

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