Bischofsheim – Wenn Klaus Spitzl auf der Radwanderkarte nach der schönsten Radstrecke in der Rhön sucht, wedelt seine Hand schnell über die aufgedruckten Orte. «Kennen Sie schon die Hochrhön-Straße? Wirklich wunderschön», sagt er dann und nimmt sofort die nächste «herrliche» Route ins Visier.
Spitzl ist Geschäftsführer des Managementzentrums vom Naturpark & Biosphärenreservat bayerische Rhön. Er muss die Region also im Grunde von Amts wegen loben. Doch der 57-Jährige ist auch passionierter Radfahrer. Die
Rhön – egal auf welcher Seite der Landesgrenzen – kennt er wie seine Westentasche. Und er weiß auch, dass das Mittelgebirge im Dreiländereck von Bayern, Hessen und Thüringen die Fahrradtouristen schon sehr früh als wichtige Zielgruppe für sich entdeckt hat.
Schon vor fast 20 Jahren hatten die Rhöner mehrere Hundert Kilometer Radwege genau beschildert und auf Landkarten entsprechend ausgewiesen. «Damals gab es in der Rhön 600 bis 700 Kilometer Rundtouren. Das war völlig neu in Deutschland. Die Rhön gehörte neben dem Schwarzwald zu den ersten Mittelgebirgen, die das so anboten», sagt der Radexperte und Autor von Rhön-Radwanderbüchern, Jochen Heinke. Die Vorzüge der Rhön als Rad-Destination kennt er dank seiner unzähligen Touren genau. «Es geht rauf und runter, man hat einen ganz tollen Fernblick. Es ist angelegt für Familien und Freizeitsportler. Und genau die kommen auch heute noch.»
Mittlerweile können die Touristen ein etwa 2000 Kilometer langes
Radwegenetz und rund 1000 Kilometer Mountainbike-Strecken nutzen, wie Thorn Plöger, Geschäftsführer der Rhön GmbH, weiß. Längst ist auch der öffentliche Nahverkehr darauf eingestellt und vielerorts mit Radanhängern unterwegs.
Und doch reicht das noch nicht: «Wir stehen jetzt an der Schwelle zur Digitalisierung», sagt Spitzl. In Zeiten, in denen es Dynamos mit USB-Anschluss gibt und das Smartphone ständiger Begleiter ist, wollen Spitzl und seine Kollegen alle Informationen zu den Radwegen in der Region auch für Handys zur Verfügung stellen können. «Wir sind dran, aber die Szene ist da schneller», sagt Spitzl mit Blick auf zahlreiche Apps für Mobilfunkgeräte, die sich mit den richtigen Routen für Radfahrer aller Bereiche beschäftigen.
Längst sind die klassischen Radwanderer nicht mehr die einzigen auf den Routen. Rennradfahrer, Mountainbiker und natürlich die Fahrer der E-Bikes gehören mittlerweile zum Alltag. «Wir erkennen eine deutliche Steigerung beim Radtourismus mit all seinen Ausprägungen», so Plöger. Dank der Motorisierung ist die Rhön für viele Besucher gewissermaßen zum Flachland geworden. «Es gibt quasi keine Ziele mehr, die für einen halbwegs geübten Radl-Fahrer unerreichbar sind», sagt Spitzl.
Zu ihnen gehören auch Kerstin und Guido König. Das Paar macht Rhön-Urlaub mit dem Rad. Der 52-Jährige mit dem Mountainbike, die 56-Jährige mit E-Bike. «Damit ich meinem Mann hinterherkomme», sagt sie. Die Rhön habe einiges zu bieten, finden beide. «Viel Natur, viele Gelegenheiten zum Einkehren und schöne Wege», so Guido König. Die Beschriftung der Wege sei im «Großen und Ganzen gut».
Dass da noch Luft nach oben ist, wissen auch die Macher in der Rhön. «Die Biker wollen eine selbsterklärende Beschilderung mit Fern- und Nahzielen», sagt Spitzl. Das soll Stück für Stück angepasst werden. Zudem soll es in der Rhön mehr Info-Tafeln geben. Es werden auch neue Wege ausgeschildert. Außerdem sollen mehr «Bett & Bike»-Unterkünfte zertifiziert werden. «So können wir nicht nur die Qualität in den Radlerunterkünften in der Rhön sichern, sondern auch steigern», ist der Rhön-GmbH-Geschäftsführer Plöger überzeugt. Geplant sind zudem mehr E-Bike-Ladestationen in der Nähe von Cafés und Restaurants.
Mit Blick auf die Mountainbiker hat die Rhön ebenfalls viel vor. Durch aktuelle Projekte in zwei von fünf Landkreisen soll das Mittelgebirge im Herzen der Republik in naher Zukunft das größte zusammenhängende Mountainbike-Netz Deutschlands haben, sagt Plöger.
So manchen Jäger oder Waldbesitzer ärgert das. Die Geräusche der Sportler – vor allem bei Dämmerung und in der Nacht – lösen Fluchtverhalten bei den Tieren aus. Dann fressen sie nicht mehr dort, wo es natürlicherweise kein Problem wäre – sondern hinterlassen Fraßschäden an Bäumen. «Wir versuchen deshalb, durch die Festlegung der Routen die Naturverträglichkeit zu gewährleisten», sagt Spitzl dazu. Außerdem würden alle Radler mit Schildern und im Internet auf die Regeln zum Schutz der Natur im
Biosphärenreservat hingewiesen.
Und wer am Ende einer Tour erstmal genug Kilometer in den Beinen hat und zumindest eine physische Pause vom Radeln braucht, kann im
Deutschen Fahrradmuseum in Bad Brückenau durch die Geschichte des Rades schlendern. Auf zwei Etagen stehen 230 historische Fahrzeuge. Sie gilt als die umfassendste deutsche Sammlung alter Fahrräder.
Fotocredits: Matthias Merz
(dpa)