San Francisco – Eine Milliarde Übernachtungen pro Jahr. Dieses Ziel hat sich AirBnb-Mitgründer und -Chef Brian Chesky für das Jahr 2028 vorgenommen.
Die vor zehn Jahren aus blanker Not geborene Vermittlungsplattform für Schlafgelegenheiten, die einst mit Luftmatratzen anfing, will nicht weniger werden als einer der größten Übernachtungs- und Eventkonzerns der Welt. Dafür werden sogar die Wurzeln des Unternehmens gekappt.
Die Kampfansage an die Hotellerie heißt «
AirBnb Plus» und verspricht erlesene Standards, die beste Hotels bieten, aber zum günstigeren Preis. Der neue Dienst geht mit einem Schlag die größten Probleme an, die heute noch viele Menschen daran hindern, sich in einer AirBnb-Privatwohnung einzunisten, statt im Hotel. Es sind die Unberechenbarkeit, was man am Zielort vorfinden wird sowie Unzuverlässigkeiten und mögliche Diskriminierungen bei der Buchung.
Studien haben gezeigt, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen größere Probleme haben, als Gäste angenommen zu werden, als andere. Und die AirBnb-Wohnung kann wie eine Wundertüte sein. Von fehlenden Handtüchern, dreckigen Teppichen bis zu kaputten Heizungen ist alles möglich. Wütende Kunden haben sich auch schon beschwert, dass kurzfristig ihre Wohnung einfach storniert und so der Urlaub ruiniert wurde.
Das soll bald der Vergangenheit angehören. Ausgewählte Gastgeber können für eine einmalige Gebühr von 149 Dollar ihre Unterkünfte jetzt für «Airbnb Plus» registrieren lassen. Ein Mitarbeiter des Unternehmens kommt vorbei, schießt Fotos und arbeitet eine 100 Punkte lange Checkliste ab, vom Shampoo im Badezimmer bis zum selbstständig möglichen Check-In. Ein Vermieter muss besonders zuverlässig und professionell sein, um akzeptiert zu werden. Ein Bedingung ist eine 95-prozentige Annahmerate von Bewerbungen. Das soll sicherstellen, dass Gäste nicht nach persönlichen Vorlieben (oder Vorurteilen) ausgesiebt werden. Außerdem muss die Kündigungsrate nach Vertragsschluss bei absolut Null liegen und die Gäste müssen im Schnitt mindesten eine Bewertung von 4,8 von 5 möglichen Sternen hinterlassen haben.
Wer eine solche Bewertung hat, der lässt niemanden vor der verschlossenen Tür stehen. Ausreden lässt Amber Cartwright, verantwortlich für das Programm, nicht gelten: «Perfekte Gastgeber finden immer einen Weg, um eine Wohnung zu übergeben.» Dafür winken den zunächst 2000 Gastgebern in 13 Städten, darunter Shanghai und Los Angeles, deutlich höhere Preise. Im Schnitt können sie bis zu 200 Dollar pro Nacht verlangen, der Durchschnitt liegt heute bei rund 100 Dollar.
Die Veranstaltung zum zehnten Jahrestag von AirBnb stand ganz im Zeichen der neuen Luxusoffensive, mit der das Start-up aus San Francisco endgültig zum virtuellen Hotelanbieter mit garantierten Standards werden will. Denn der Weg zur magischen Milliarde ist weit und nicht ohne eine Ausweitung der Nutzerbasis möglich. «AirBnb Plus» ist zum Beispiel ein Versuch, Geschäftsreisende mit hohen Ansprüchen anzusprechen.
In den vergangenen zehn Jahren haben zusammengenommen 300 Millionen Gäste eine Übernachtung über die Plattform gebucht, sagte Chesky in San Francisco. Angefangen hatte es mit drei klammen Studenten, die ihre Miete nicht zahlen konnten. Sie legten in ihrem Wohnzimmer Luftmatratzen aus und boten Gästen billige Schlafgelegenheit an. Es funktionierte zur allgemeinen Überraschung. Überdimensionale Porträts der ersten drei Gäste hängen heute noch in der Firmenzentrale an der Brannan Street.
Aus den Matratzen im Miniappartement ist ein Übernachtungsimperium geworden, 4,5 Millionen Unterkünfte, vom Klappsofa bis zum Luxusanwesen, stehen laut AirBnb an 81 000 Orten bereit. Alle zwei Minuten checken heute 400 Menschen irgendwo auf der Welt bei einem AirBnb-Angebot ein. Innerhalb von zehn Jahren setzten die Vermieter, die «Hosts», 41 Milliarden Dollar um.
Doch mit dem Reich wuchsen die Probleme. Potenzielle Gäste verirrten sich auf der unübersichtlichen Webseite mit den Millionen von Angeboten, die eigentlich nur drei Ordnungskriterien bot. «Geteilte Zimmer», «eigenes Zimmer» und «ganze Wohneinheit». Das Problem soll jetzt durch vier zusätzliche Kategorien entschärft werden: Die Merkmale «Ferienunterkunft», «besondere Unterkunft», «Bed & Breakfast» und «Boutique-Hotel» sollen helfen, die Suche schneller einzugrenzen. Zusätzlich werden im Laufe des Jahres Kategorien für Gruppenreisen eingeführt, seien es Familientreffen, Business-Meetings oder Hochzeiten.
Schon heute vermittelt AirBnb weltweit mehr Übernachtungen als die fünf größten Hotelketten zusammen. Durch «AirBnb Plus» sollen jetzt die Zielgruppen angesprochen werden, die gezielt ein Marriott oder ein Hilton buchen würden oder die Seiten der Ferien-Ressorts durchforsten. Zusätzlich wird noch ein Kundenbindungs-Programm eingeführt. Besonders gute Kunden werden mit Vergünstigungen wie Abholung vom Flughafen oder einer direkten Hotline zu AirBnb belohnt. Und als Gegenpart bekommen die «Superhosts» von «AirBnb Plus» eine besonders herausgehobene Platzierung in der App.
Der Schritt kommt zu einer Zeit, in der AirBnb in schwierigem Fahrwasser treibt. Das mit gut 30 Milliarden Dollar bewertete Unternehmen liegt immer noch mit vielen Kommunen und Behörden über Kreuz, die den Betrieb illegaler Hotels und Wohnraumentfremdung fürchten. Vor wenigen Wochen verließ zudem der Finanzchef das Unternehmen. Chesky verkündete bei dieser Gelegenheit, dass ein Börsengang für 2018 nicht mehr zur Debatte stehe. 2019 ist jetzt das lockere Ziel.
Auch die großen Online-Reisefirmen wie Expedia, Tripadvisor oder Booking positionieren ihre Angebote immer stärker im gehobenen Bereich und bieten – so wie Expedia mit Homeaway – eigene Mitwohn-Angebote an. AirBnb bietet ausgesuchte Erlebnisse für seine Kunden vor Ort an, sogenannte «Experiences», die ein oder zwei Tage dauern können. Dieser Bereich, so Chris Lehane, Chef für politische Kommunikation, wachse zehn Mal so schnell wie die Wohnungsvermietung und werde voraussichtlich 2019 profitabel sein
Fotocredits: Jens Kalaene
(dpa)